Gesundheit & Training

Über Training wurde bereits sehr viel publiziert. Auch kletterspezifisches Training ist gut untersucht und auch dokumentiert. Wenn wir jedoch über Behinderungen und Training, im speziellen Paraclimbing sprechen, sind wir mehr oder wenig auf uns selbst zurück geworfen. Willkommen in der wunderschönen Welt der Kompensation!

Bitte beachten:

  • Jeder macht alles auf eigene Gefahr
  • Du hast viel zu verlieren, aber nur wenig zu gewinnen
  • Diese Ideen und Ratschläge können keine professionelle Hilfe ersetzen
  • Kenne Deine Grenzen

Dies mag sich alles selbsterklärend anhören – ist aber sehr wichtig. Einige vergessen gerne im Eifer des Gefechts, dass sie aufgrund der Behinderung an bestimmten Stellen vorsichtig sein müssen, um nicht eines Tages einen hohen Preis dafür bezahlen zu müssen …

Beispielsweise armamputierte Kletterer: Was ist wenn der „gute Arm“ ernsthaft verletzt wird? Wie würde das tägliche Leben dann aussehen? Klettern auf hohem Niveau ist kein Gesundheitssport, erst Recht nicht mit Behinderung. Wenn man mit einbezieht, dass Behinderungen generell gewisse Kompensationstechniken erfordert, die meist in asymetrischen Belastungen endet, so ist es nur logisch, dass dies über kurz oder lang zu Überlastung und Verletzung führen kann, sofern man sich nicht mit diesem Thema auseinander setzt und gewisse Maßnahmen ergreift.

Physik und Anatomie lassen sich nicht austricksen

Dieser Umstand ist wichtig zu wissen und auch zu akzeptieren. Im Parasport hört man oft Aussagen wie „Grenzen sind gemacht, um verschoben zu werden“, „Es gibt keine Grenzen“, „Man kann alles erreichen, wenn man nur will“ – wir alle kennen diese Sprüche. Auf gewisse Art und Weise steckt auch Wahrheit in den Aussagen, gleichzeitig sind sie aber auch falsch. Es gibt immer feste Grenzen, die nicht verschoben werden können, wir sind keine Superhelden … wir sind nur Menschen. Und behindert. Das zu realisieren und auch zu akzeptieren, dass es feste Grenzen gibt, ist sehr wichtig.

Sehen wir uns ein einfaches Beispiel genauer an: Wenn man nur mit einem Arm klettert, wird dieser Arm deutlich stärker belastet. Es ist sogar mehr als doppelt so viel Last im Vergleich zu einem Kletterer mit zwei Armen, da man wesentlich mehr dynamische Züge mit einem Arm machen muss, die höhere Lastspitzen verursachen. Gleichzeitig muss der Körper vor Rotation bewahrt werden und präzise Fußarbeit und Hüftbeweglichkeit ist zusätzlich notwendig.

Auch für „gesunde“ Kletterer mit zwei Armen sind Verletzungen an Fingern, Handgelenken, Ellbogen und Schultern weit verbreitet. Egal wie hart man trainiert und wie gut man in Sachen Ausgleichstraining aufgestellt ist, die Physik wird in diesem Beispiel den einarmigen Kletterer dazu zwingen, seinen Arm stark zu überlasten. Da der Körper nicht dafür gemacht ist, wird klettern mit nur einem Arm auf hohem Niveau früher oder später immer zu Überlastung und Verletzungen führen – weil sich die Anatomie und Physik eben nicht austricksen lässt …

Die Idee hinter diesem Beispiel kann auf viele andere Behinderungen übertragen werden. Alle Arten von Amputationen oder Gliedmaßenverlust, die zu asymmetrischen Belastungen führen, können das Risiko von Überlastung und Verletzung in den betroffenen Körperteilen erhöhen. Wenn man beispielsweise einen Mangel an Beweglichkeit mit Kraft kompensiert, so muss man sich auf den Teil des Körpers konzentrieren, der mehr zu arbeiten hat, denn hier liegt ein höheres Risiko an Überlastung und Verletzung.

Finde den wunden Punkt und arbeite daran

Was kann man nun konkret tun? Neben den oben beschriebenen Grundlagen ist es essentiell, den eigenen persönlichen „wunden Punkt“ zu finden. Wo wird mein Körper mehr im Vergleich zu nicht-behinderten Kletterern belastet? Gibt es asymmetrische Belastungssituationen aufgrund von Amputationen oder Gliedmaßenverlust? Welcher Teil des Körpers schmerzt öfter und länger als der Rest vom Körper?

Am Ende des Tages geht es vor allem um ein solides Kompensationstraining, das den Körper in eine bessere Position bringt, die spezielle Belastungssituation zu meistern – auch wenn sich gewisse Grenzen nie überwinden lassen.

Professionelle Hilfe von Physiotherapeuten, Ärzten oder Sportwissenschaftlern kann helfen, um ein individuell angepasstes Ausgleichstraining zu entwerfen. Es gibt auch eine Veröffentlichung, die hier einige grundlegende Ideen und Hilfe bieten kann: „ACT Adjunct Compensatiory Training“ von Volker Schöffl Arzt, betreut auch das deutsche Nationalteam), Dicki Korb und Patrick Matros (Trainer von Alexander Megos und vielen anderen Athleten), gibt es frei als PDF auf dieser Webseite: www.act.clinic

Dieses Buch wurde für nicht-behinderte Kletterer geschrieben und behandelt das Thema Ausgleichstraining mit medizinischem Hintergrund. Das Buch enthält auch ein Kapitel mit Übungen für oft im Klettern auftretende Verletzungen, die evtl. direkt auf einige Fälle im Paraklettern übertragen werden können. Wie schon zuvor gesagt: Professionelle Hilfe wird empfohlen!